Feb 17, 2024
Liebherr geht bei H2-Kraftstoffsystemen den direkten Weg
Von Mike Brezonick22. November 2022 Die Liebherr Components AG, Teil der Liebherr-Gruppe, hat die Entwicklung neuer Direkteinspritzsysteme für Wasserstoff (H2)-Verbrennungsmotoren angekündigt
Von Mike Brezonick22. November 2022
Die Liebherr Components AG, Teil der Liebherr-Gruppe, hat die Entwicklung neuer Direkteinspritzsysteme für Wasserstoff (H2)-Verbrennungsmotoren in Schwerlastanwendungen angekündigt. Die aktuellen Systeme zielen auf Motoren mit einer Leistung von bis zu 75 kW (100 PS) pro Zylinder ab, das Unternehmen entwickelt jedoch auch Versionen für größere Motoren mit einer Leistung von bis zu 225 kW (302 PS) pro Zylinder.
Liebherr stellte mehrere Herausforderungen für H2-Verbrennungsmotoren fest, darunter die Fähigkeit, unter nicht optimalen Bedingungen zu arbeiten und gleichzeitig die Spitzenleistung aufrechtzuerhalten und dynamische Laständerungen zu bewältigen. Die Möglichkeit, hinsichtlich Leistung und Betriebseigenschaften an Dieselmotoren heranzukommen, sei vielleicht die größte Hürde für H2-Motoren, sagte das Unternehmen.
Um solche Probleme anzugehen, hat Liebherr einen systemorientierten Ansatz zur Wasserstoffeinspritzung gewählt, der verschiedene Komponenten zur Steuerung von Druck und Durchfluss kombiniert. Dies ermögliche die gleichen Betriebseigenschaften wie ein Diesel bei gleichzeitiger Beibehaltung eines robusten Systemdesigns, so das Unternehmen.
Um die Leistung eines H2-DI-Motors (Wasserstoffdirekteinspritzung) an die eines Dieselmotors anzupassen, muss das System in der Lage sein, hohe Durchflussraten sicherzustellen. Aufgrund der geringen Dichte des Wasserstoffgases benötigt der Injektor große Ventilquerschnitte. Um eine präzise Regelung auch kleinster Mengen zu ermöglichen, muss der Systemdruck punktgenau geregelt werden. Beim H2-Injektionssystem von Liebherr wird dies über ein Gasmengenregelventil erreicht. Besonderes Augenmerk wird auf minimale Düsenleckagen am Injektor gelegt, mit dem Ziel, den Injektor gasdicht zu machen.
„Um mit einem H2-System die gleiche Fahrbarkeit wie mit einem Diesel zu erreichen, muss das Wasserstoffeinspritzsystem optimal auf das Drehmoment und die Leistung des Motors abgestimmt sein“, erklärt Richard Pirkl, Geschäftsführer Technik und Entwicklung der Liebherr-Components Deggendorf GmbH. „Das bedeutet, dass beim Übergang vom Leerlauf zur Volllast möglichst schnell die nötige Kraftstoffmenge und der entsprechende Systemdruck zur Verfügung stehen müssen.“
Das H2-Einspritzsystem von Liebherr ist darauf ausgelegt, eine extrem schnelle und genaue Druckregelung zu ermöglichen, unabhängig von der Position des Kraftstofflagers, der Maschinengröße, der Anordnung oder der Motorinstallation. Das Design beinhaltet eine zweistufige Druckregelung. Während die erste Stufe zunächst den variablen Druck aus dem Kraftstoffspeicher stabilisiert, passt die zweite Stufe den Kraftstoffdruck fein an. Der Einspritzdruck wird durch die Aktivierung des Gasdosierventils über die elektronische Steuereinheit (ECU) gesteuert. Die ECU steuert das Gasdosierventil über einen Feed-Forward-Regler mit geschlossenem Regelkreis. Individuell entwickelte wasserstoffspezifische Softwaremodule können in Anwendungssoftware und/oder Steuergeräte von Drittanbietern integriert werden.
„Das H2-DI-System ist so konzipiert, dass es ohne elektronisches Druckentlastungsventil funktioniert“, sagte Pirkl. „Die Idee dahinter ist, das System so einfach wie möglich zu halten und gleichzeitig die Freisetzung von Wasserstoffgas in die Atmosphäre während des Betriebs zu vermeiden.“
Neben dem Gasdosierventil und der Steuerung ist das Einspritzventil selbst eine Schlüsselkomponente. „Der Injektor ist die anspruchsvollste und zugleich leistungsbestimmende Komponente des Wasserstoff-Kraftstoffsystems“, sagte Pirkl. Die Gesamtabmessungen des H2-LPDI-Injektors von Liebherr sind denen von Diesel-Injektoren für Hochleistungsmotoren sehr ähnlich, insbesondere liegt der kritische maximale Außendurchmesser im gleichen Bereich wie bei Diesel-Injektoren.
Im aktuellen Entwicklungsstand kann der Injektor mittels Einschraubeinsatz mit verschiedenen Wasserstoffanschlüssen ausgestattet werden. Zwei Grundvarianten des Injektorkopfes – ein radialer oder axialer H2-Einlass – ermöglichen unterschiedliche Einbauanforderungen. Um das richtige Sprühbild und die richtige Strahlrichtung zu gewährleisten, ist die Injektordüse mit einer Diffusorkappe ausgestattet. „Es ist im Musterstadium austauschbar und ermöglicht das kostengünstige Testen verschiedener Varianten, um die beste Konfiguration zu definieren“, so Pirkl. „Durch eine Schraublösung kann die Diffusorkappe einfach ausgetauscht werden.“
Der Injektor wird über eine Nadel geöffnet und geschlossen, die direkt vom Magneten aktiviert wird. Die Herausforderung bestand darin, eine ausreichende Magnetkraft für die direkte Aktivierung zu erreichen und gleichzeitig die kritischen Außenmaße im Magnetbereich an die Anforderungen des Motorenherstellers anzupassen.
Mehrfache Simulationen verschiedener Magnetkonzepte, Materialien und Einbausituationen waren Teil des Entwicklungsprozesses von Liebherr. Das Ergebnis war, dass die Kraft des Magneten so abgestimmt wurde, dass eine ordnungsgemäße Öffnung des Injektors erreicht wird, während die Schließverzögerung auf ein Minimum reduziert wird.
„Ein weiteres wichtiges Entwicklungsziel war die Steuerung des Wasserstoffinjektors mit den vorhandenen Steuergeräten von Dieselmotoren und mit den aus diesen Anwendungen bereits bekannten aktuellen Standardprofilen“, sagte Pirkl.
Wie bereits erwähnt, war die Dichtheit des Injektors zur Vermeidung diffuser Wasserstoffemissionen eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung von H2-Komponenten. Laut Liebherr zeigten Tests auf einem Vakuumleckageprüfstand gute Ergebnisse für sein H2-Injektorkonzept.
„Die gemessenen Injektionsraten des aktuellen Probenbestandes zeigen bereits äußerst stabile Verläufe“, sagte Pirkl. „Insgesamt zeigt der Injektor ein gutes Öffnungs- und Schließverhalten. Auf dem Funktionsprüfstand konnten wir eine gute Regelbarkeit der Einspritzrate bei unterschiedlichen Druckniveaus nachweisen. Die erforderlichen Mindesteinspritzraten von ~2,5 mg pro Hub werden bei einem Raildruck von 10 bar (145 psi) erreicht.“
Liebherr hat alle Tests mit einem völlig trocken laufenden Injektor ohne jegliche Zugabe von Schmieröl durchgeführt. Da der Injektor ausschließlich für Wasserstoff entwickelt wurde und keine Konzepte oder Komponenten einer Erdgas- oder Benzin-Injektorplattform zum Einsatz kamen, lag der Fokus auf der Trockenlauffähigkeit der beweglichen Komponenten. Der Dauertest des Trockenlaufinjektors wird derzeit vom Liebherr-Team in Deggendorf, Deutschland, durchgeführt.
Die Wasserstoff-Direkteinspritzung eignet sich besonders gut für Anwendungen mit hohen Anforderungen an Dynamik und Leistungsdichte bei begrenztem Bauraum. Erste Tests haben gezeigt, dass H2 DI ein realisierbares Konzept ist, das Liebherr in Deggendorf weiter verfolgen will.
„Die Produktvalidierung wird in Zukunft eine der wichtigsten Aufgaben bei der Entwicklung von Wasserstoff-Kraftstoffsystemen sein“, sagte Pirkl. „Die nächsten Schritte bestehen darin, das Niederdruck-DI-System hinsichtlich Einspritzstabilität und Dynamik zu optimieren. Basierend auf dem Niederdruck-DI-System für Hochleistungsmotoren entwickeln und testen wir auch ein System mit höheren Durchflussraten für größere Motoren.“
Erste Muster dieser Systeme, die für Motoren in der Schifffahrt, Stromerzeugung, Bahn und anderen Anwendungen mit 1 MW und mehr geeignet sind, werden im Januar mit der Erprobung beginnen, teilte das Unternehmen mit.
Parallel zur Direkteinspritztechnologie arbeitet Liebherr an Einspritzdüsen mit Saugrohreinspritzung (PFI). Die Systemansätze für Saugrohr- und Direkteinspritzung nutzen eine gemeinsame, skalierbare Injektorplattform als Basis.
Mit diesem umfangreichen Produktportfolio möchte Liebherr unterschiedlichste Motorenanforderungen abdecken und ein breites Einsatzspektrum für Mittel-, Schwerlast- und Großmotoren ermöglichen.